Aber warum tun sich die Pädagogen so schwer?
Die Biografiearbeit ist in meinen Augen eine der wichtigsten
Fortbildungen in der Behindertenhilfe (siehe Angebot auf der Homepage). Für
mich persönlich ist es die Methode, die dem heutigen Wandel der professionellen
pädagogischen Arbeit ihren besonderen Ausdruck verleiht. Augenfällig gibt sie
einem individuellen Leben, mit allen seinen Erfahrungen, Eindrücken, Gefühlen
und Wissen einen Sinn. Menschen mit einer Behinderung, werden als einmalig und
unverwechselbar wahrgenommen. Der Mensch, als geistig Behinderter, wird nun nicht
mehr nur als Fall oder Akte bemerkt.
Zusammengefasst stelle ich Ihnen die wichtigsten Inhalte einer
Fortbildung dar:
- Grundsätze des didaktisch-methodischer Ansatzes werden erlernt. Dabei spielt das Prinzip der offenen Didaktik eine Rolle.
- Der Einsatz von pädagogischem Material bei den Nutzern wird erläutert.
- Die Vorbereitung von unterschiedlichen Settings wird geübt.
- Das Verstehen fremder Lebensgeschichten durch Fallbesprechungen im Team wird erklärt.
- Warum die Haltung zur eigenen Biografie mit dem gezielten Zuhören bei anderen zusammenhängt, wird miteinander diskutiert.
- Biografische Ereignisse dokumentieren, sammeln und aufbewahren. Beispiele werden dargestellt.
- Die Auseinandersetzung mit dem eigenen persönlichen Lebensweg, wie z. B. mit Ereignissen, Umwegen, Brüchen und Hindernissen, Neuanfängen, Perspektiven und Zielen.
- Die Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie kann sowohl individuelle Besonderheiten klären helfen als auch Anpassungsprozesse an gesellschaftliche Normen verdeutlichen.
- Den Blick auf die verbindende Vergangenheit über die Gegenwart bis hin zur Zukunft werfen
- Aus der Vergangenheit lernen, um die Gegenwart zu verstehen und die Zukunft zu planen.
- Bewusstmachen der eigenen Biografie als Voraussetzung für das Verstehen der Wünsche und Bedürfnisse anderer.
- Fehlinterpretationen vermeiden und kritische Situationen mit dem Nutzer meistern lernen.
- Mithilfe von Biografiearbeit Einblick in die Ressourcen der Menschen mit geistiger Behinderung verschaffen, um den Respekt zu bewahren und die Nutzer nicht nur auf elementare Lebensäußerungen zu reduzieren.
- Biografiearbeit als Kommunikationsmittel, um Außenkontakte zu erhalten bzw. herzustellen.
- Reden über schöne Erinnerungen um die Nutzer-Assistent-Beziehung zu stärken und die alltägliche Arbeit zu erleichtern.
- Und Vieles mehr!
Warum aber ist die Methode so schwer umsetzbar?
Meistens fehlt es an umfangreichen Fortbildungen und
Supervision. Aber oft fehlt es auch an Wissen, wie die Methode im Alltag
(Alltagsexperte) eingesetzt werden kann. Biografisches Arbeiten braucht eine Neugierhaltung
der Fachkräfte und Unterstützung durch die Organisation. Biografiearbeit sollte
aber nicht verwechselt werden mit bohrendem Fragen und akribischem Dokumentieren
aller Lebensereignisse. Es erfordert von den Fachkräften Informiertheit,
Taktgefühl, Toleranz und ruhiges Zuhören. Und die Bereitschaft von Fachkräften sich
als professionelle Moderatoren weiterzuentwickeln. Selbstreflexion und
Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie sind unumgänglich. Grundsätzliches
Verstehen von Veränderungsprozessen gehört dazu. Der Erwerb einer biografischen
Kompetenz ist hierfür notwendig. Nach einer Fortbildung fehlt es oft an
lebensgeschichtlichem Material der Klienten. Häufig gibt es kaum Möglichkeit
Angehörige zu befragen. Hierfür brauchen die Fachkräfte Geduld und einen
Forscherdrang, um sich z. B. über einen Geburtsjahrgang zu informieren (Mode,
Musik, Süßigkeiten). Die Probleme in der Durchführung entstehen meistens durch
Mangel an Zeit, Raum, Personal und Arbeitsdruck. Die allgemeine Arbeitsroutine überlagert
oft den Versuch der Biografiearbeit. Die Altersunterschiede zwischen dem Nutzer
und dem Assistenten sowie dessen Selbsteinbringung ist manchmal schwierig. Die
Zukunftsplanung der Nutzer sollte alltagseingebunden und am Anlass orientiert sein.
Häufig wird die Zukunftsplanung nicht als Teil der Biografiearbeit betrachtet. In
diesem Zusammenhang als problematisch anzusehen, ist sicherlich auch der Fachkräftemangel
und die oft relativ hohe Mitarbeiterfluktuation, die diese kontinuierliche Arbeit
immer wieder unterbrechen.
Zur Lösung gelangt man hier mit der Entwicklung von
Qualitätsstandards, eines pädagogischen Konzeptes und letztlich durch die
Wertschätzung der Arbeit der Mitarbeiter durch ihre Führungskräfte. Hierbei
unterstütze ich Sie gern!
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